Felix Timmermans und Oscar van Rompayxml:namespace prefix = o ns = "urn:schemas-microsoft-com:office:office" />
Arthur Lens
übersetzt von Burkhard Schwering
"In den dunkelsten letzten Jahren von Vater ist Oscar van Rompay sein treuester Freund gewesen!" Clara Timmermans
Auf dem Umschlagtitel des Timmermansschen Werkes Ich sah Cäcilie kommen (in der Basler Ausgabe von 1948) begegnet ein Portrat Felix Timmermans' von Oscar van Rompay.
Dieses animierte uns, näher auf das jahrelange gute Verhältnis und die treue Freundschaft zwischen Felix Timmermans und seinem jungen Freund Oscar van Rompay einzugehen.
Wer ist nun Oscar van Rompay?
Oscar van Rompay wurde am 25. August 1899 in Lier geboren. Von Jugend an fühlte sich das junge Kerlchen von der Kunst angezogen, und siebenjährig wurde er bereits in die Sonntagsklasse der Lierer Zeichenschule aufgenommen. Er träumte davon, auf die Akademie von Antwerpen zu gehen. Unbedingt wollte er dort aufgenommen werden, keine Mühe war ihm zu groβ. Von 1915 bis 1919 sollte van Rompay an dieser Akademie studieren, bei Juliaan De Vriendt.
Während seiner Ausbildung in Antwerpen verehrte van Rompay bereits die spanischen, holländischen und flämischen Malerschulen, bewunderte aber auch die französischen Impressionisten. Es war eine Bewunderung, die während seines Aufenthaltes in Paris noch stärker werden sollte. Seine Zeit als Schüler von Louis Biloul und Eugène Dabit wurde von ausschlaggebender Bedeutung für sein spateres Werk.
Mit Felix Timmermans verband Oscar van Rompay eine lebenslange Freundschaft. Den bekannten Louvre-Experten Marc Havel zählte van Rompay zu seinen treuen franzosischen Freunden. In sein preisgekröntes Buch La technique du tableau (Die Technik der Tafelmalerei) schrieb Havel folgende Widmung:
"En témoigne de mon admiration pour un des plus grands peintres de notre époque" (Als Zeichen meiner Bewunderung für einen der gröβten Maler unserer Zeit).
Felix Timmermans lernte Oscar van Rompay während des ersten Weltkrieges kennen in der Dampfstraβenbahn von Lier nach Antwerpen. Timmermans fragte ihn, ob er zur Antwerpener Akademie ginge und wer ihn unterrichtete. van Rompay antwortete, es sei Juliaan De Vriendt, ein groβer Maler.
Monate später lud Timmermans van Rompay ein, um ihm seine Zeichnungen und Gemälde zu zeigen. Van Rompay zeigte sich nachdrücklich betroffen durch die Thematik der Timmermansschen Arbeiten. In dieser Periode, urteilte er, schuf Timmermans die besten Gemälde seines Lebens.
Im Jahre 1950, drei Jahre nach Felix Timmermans' Tod, sollte Oscar van Rompay in einer Hymne an den Maler Timmermans bemerken: "Timmermans war ein Schriftsteller und Maler. Beide Begabungen prägten ihn ganz, in Geist und Wesen verwoben. Im Schriftsteller finden wir stets den Maler wieder: Und spüren wir nicht in jedem Gemälde den Atem des volkstümlichen Erzählers? Seine weltberühmten Bücher sind ohne die ausdrucksstarken und originellen Illustrationen beinahe undenkbar.
Timmermans war zunächst Zeichner. Welch eine Fülle von Skizzen brachte er nicht von seinen zahlreichen Reisen mit! Mit raschem Strich vermochte er das Prächtige oder Kraftvolle einer Landschaft zu fixieren; das Robuste der Bauemgestalten, die Frömmigkeit der Wallfahrer, das Malerische von Städten und Dörfern... Er erkannte, daβ ein Werk von ausgelassener Lebenslust sprühen muβte. Sein auβergewöhnlicher Hang zum Charakteristischen, zum Deutlichen und Auffallenden hat ihn jedoch nicht zum Karikaturisten verführt... Das Festliche spielt neben dem Religiösen bei ihm eine Hauptrolle. Die typischen Prozessionen und Bauernkirmesse sind lebendig und von Freude sprühend.
Die religiösen Szenen berühren durch ihre ergreifende Schlichtheit und Kindlichkeit. Niemals fehlen tiefmenschliche Freude und Kummer in Wort und Pinselstrich. Seine Kunst ist durch und durch flämisch, so wie er es selbst war...
Viele Jahre sah ich ihn an der Arbeit, und durch beinahe täglichen Kontakt konnte ich die Spontaneität seiner Arbeitsweise direkt bewundern. Mit einfachsten Mitteln vermochte er etwas zu schaffen, das fesselte und erfreute... Wir Maler sind froh und stolz, ihm als einer starken Persönlichkeit Anerkennung zu bezeugen. Wir Lierer Bürger besonders; denn sein Name ist das Symbol unserer Stadt. Ist Timmermans als Schriftsteller unsterblich, so soll auch sein Ruf als Maler fortbestehen.
Mögen wir noch lange dieses edlen Menschen gedenken, dieser sanften Natur, dieses anziehenden Freundes; denn er war ein wirkliches Füllhorn..."
In Schoon Lier charakterisiert der Schriftsteller Timmermans den Maler van Rompay: "Spanisch aussehend, mit gebräunter Haut, schwarzem Haar und lebhaften Augen steht Van Rompay auf dem Beginenhof, um zu malen. Und spanisches Blut pulst in den Farben. Es ist stark und sprühend von Farbe, je intensiver, desto lieber; es muβ glühen, glänzen und funkeln, abwechselnd mit perlmuttenen Tönen alter weiβer Mauern und durchscheinenden Himmeln."
Als Oscar van Rompay im Jahre 1930 eingeladen wurde, in Amsterdam im Kunsthandel Fetter eine Ausstellung zu präsentieren, hielt kein Geringerer als Felix Timmermans die Einführungsrede. "Oscar van Rompay ist ein groβer Künstler! Sein Werk ist voller Leben, prall von Leben wie ein Apfel. Es lebt so heftig... es ist so lebensprall, weil es aus Bewunderung, Dank und Begeisterung für das Leben selbst entstand... Er sieht die Dinge nicht anders als sie sind, er versucht, sie darzustellen mit all ihren Eigenschaften wie Farbe, Gestalt, Licht und Stofflichkeit... Es drückt sich im Werk Oscar van Rompays eine edle Freude aus, die einem dort entgegenglüht. Es ist mit Freude geschaffen. Es gibt dort keine andere Absicht, als die Freude auszudrücken, die Schönheit des Lebens. Dafür muβ man keine Fresken malen... Die Stilleben von Van Rompay leben ausdrucksstark. Sie sind lebensstark durch das Gefühl und die kräftige Handschrift. Er versteht sein Handwerk. Empfindsamkeit und Fertigkeit sind auch die zwei groβen Begabungen, mit denen Oscar Van Rompay gesegnet ist. In dieser Zeit von lobenswerten und weniger lobenswerten Experimenten und Protesten im Bereich der Kunst, ist das Werk Oscar van Rompays eine Tat."
Fur die Gemeinderatswahl im Oktober 1938 kandidierte Felix Timmermans gemeinsam mit Oscar van Rompay für den Vlaams Nationaal Blok, nachdem es miβlungen war, eine Vereinigung von Vlaams Nationaal Verbond und Katholieke Volkspartij zu erreichen.
Angesichts des drohenen Zweiten Weltkriegs brachte Oscar van Rompay seine Gemälde in Sicherheit, fand sie jedoch im Juli 1940 unkenntlich zerstört wieder. Wem wohl sonst als seinem Freund Felix Timmermans, der das Ganze in seiner Entstehung gesehen hatte, sollte er seinen Kummer klagen. Felix Timmermans hatte den ganzen Tag bei van Rompay an der Vredebergstraat verbracht. "Er war am Boden zerstört. Er würde nicht mehr hochkommen, sagte er, er wollte nicht mehr malen. Da hat Vater, das einzige Mal in seinem Leben, jemanden mit Handen und Füβen überzeugt, hat gesagt, daβ er malen muβ, noch mehr als früher, und hat geredet über die Kunst, über die Treibkraft, die von ihr ausstrahlt, mit einer dynamischen Anteilnahme, die wir an ihm nicht kannten... Van Rompay ging verjüngt nach Hause, richtete seine Palette her, und noch bevor eine Woche vergangen war, begann er mit neuem Mut zu arbeiten, daβ die Fetzen flogen. Jeden Abend erschien er, um etwas Neues vorzuweisen, das er begonnen oder vollendet oder an dem er noch einen Pinselstrich hinzugefügt hatte. Vater übte dann die angebrachte Kritik oder spendete das verdiente Lob; gemeinsam besprachen sie danach das Gemalte..."
Van Rompay begann erneut zu arbeiten mit der festen Überzeugung, daβ es nun noch besser sein muβte. Er legte groβen Wert auf die Fürsorge, die er in seiner Niedergeschlagenheit bei Timmermans fand. Sein Arbeitseifer war enorm, er malte freier und luftiger. Die Periode der geführvollen samtigen Stilleben war vorbei. Die Natur, die van Rompay ausdrückt, ist empfindsam geschildert. Seine Stadtansichten von Lier, Paris und Collioure hat er auf eine gesunde, malerische Weise fixiert. Sie atmen durch die Vorstellungskraft des Künstlers. Sie verstehen, den Betrachter zu fesseln, weil der Maler durchdringend geschaut und mehr als nur Eindrücke der Auβenwelt mit dem Auge wahrgenommen hat. Bei seinen Landschaften und Stadtansichten erliegt man dem trügerischen Eindruck, sie seien mit einer äuβerst flotten und treffenden impressionistischen Malweise auf die Leinwand gebannt. Die frischen Porträts von Felix Timmermans sind Ausdruck bedeutender Fähigkeiten. Sie verkünden ein niemals erreichtes Lob seines intimen Freundes. Es sind Porträts mit einer brausenden Orchestrierung von Farbe, die die psychologischen Züge nicht verwischt haben.
Seine Sorge um einen anderen lieβ Timmermans nicht ruhen, und im September 1940 gründete er gemeinsam mit van Rompay eine lokale Abteilung der flämischen Künstlergilde. Im Dezember 1940 organisierten sie bereits eine erste Ausstellung, und Felix Timmermans hielt die Eröffnungsrede. Im Jahre 1943 stellte Oscar van Rompay im städtischen Kunstsalon in Antwerpen aus, und erneut hielt Felix Timmermans die Festrede. Darauf antwortete van Rompay sehr spontan: "Welch ein bedeutender Universitatsprofessor der Geschichte der Malerei hätte Felix Timmermans sein können! Er beherrscht den Stoff über die Gesamtentwicklung der bildenden Kunst wie kein anderer mit dem ungemein klaren Blick für die technische Vervollkommnung einer Persönlichkeit oder für die Qualität eines Meisterwerks."
Daβ ein Maler mit derart groβer Sympathie und Respekt über einen anderen Maler spricht, zeugt von der Groβe beider Künstler.
"Timmermans und van Rompay haben Stunde um Stunde, Tag um Tag gemeinsam über Farbe und Farbigkeit, über Malweise und Komposition gesprochen, über Pinselstrich und das Licht. Es ging ihnen dabei um ihr eigenes wie um das Werk anderer Künstler. Der Kontakt mit diesem starken reinen Koloristen wird daher wohl fruchtbar auf Timmermans gewirkt haben. Auch van Rompay hat bei dem ruhigen und scharf beobachtenden Felix Timmermans erfrischende Momente eriebt."
In den schwierigsten einsamen Jahren von Felix Timmermans besuchte ihn van Rompay treu und ermunterte ihn mit Neuigkeiten aus der Welt der Malerei. Es verging tatsächlich kein Tag, ohne daβ van Rompay bei Timmermans hereinschaute. Van Rompay war ganz und gar Zuwendung.
Als Felix Timmermans in den letzten Lebensmonaten an sein Krankenbett gefesselt war, fand eine groβe Vincent-van-Gogh-Ausstellung statt. Van Rompay, beseelt durch eine fast religiöse Ehrerbietung für die französischen Meister der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und vor van Gogh, vermittelte Felix Timmermans beinahe täglich seine Begeisterung. Durch Oscar van Rompay hat Felix Timmermans die Impressionisten zu verstehen gelernt.
"Daβ Oscar van Rompay ihm in diesen schwierigen Jahren von Beginn an bis zu seiner Todesstunde zur Seite stand, schätzte Felix Timmermans aufs höchste und mehr noch als er es bekundete. Aufgrund dieser Kameradschaft blieb er in dieser bedrückenden Zeit noch mit der Auβenwelt verbunden." Am Tage des Begräbnisses von Felix Timmermans, am 28. Januar 1947, ergriffen im Sterbehause Pater Van Mierlo und Maurice Gilliams das Wort. Auf dem Friedhof hielt sein Freund Oscar van Rompay die Grabrede:
"Groβer Freund,
als Maler und als Dein engster Freund stehe ich Dir ganz nahe. Mit einem Gefüihl tiefer Verehrung, Bewunderung und Dankbarkeit rufe ich Dir dieses letzte Lebewohl zu, Dir, dem geborenen Maler, dem groβen Dichter, der diesem Land Erneuerung gebracht hat; Dir, dem edlen Menschen, dem treuen Freund. Du bist nun eingefahren, guter Felix, in den Hafen, den Deine Seele seit Monaten kannte, den Du in Deinen letzten Gedichten geschildert hast.
Dein Werk ist unsterblich, Dein Name ist auf dieser Erde verewigt, Dein Ruhm bleibt, solange Deine Vaterstadt Lier bestehen wird. Dein empfindsames Herz soll weiterschlagen in Deinem reich nuancierten, umfangreichen und ewig frischen Werk.
Deine Bescheidenheit und Güte, bester Felix, haben Dich nicht verlassen, als Du ein Prominenter in dieser Stadt wurdest. Der Reichtum Deiner edlen Seele war groβ genug, die Last eines Weltrufs verkraften zu können.
Bis in die 'Dämmerungen des Todes' hast Du die 'Harfe des heiligen Franziskus' gespielt, das heiβt, daβ Du als Christ gestorben bist. Die letzten Klänge Deines Instruments waren ein inniges Gebet. Du gehst vorbereitet in die Ewigkeit.
Leb' denn wohl, groβer Freund, lebe wetter in unser aller liebevoller Erinnerung.
Ruhe in Frieden!"

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